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Fahrplan der belgischen Fleischwirtschaft in der COVID-19-Pandemie

Die zweite Corona-Welle neigt sich in Belgien dem Ende zu.  Derweil wird die Impfstrategie umgesetzt. Zeit, um durchzuatmen und auf ein außergewöhnliches Jahr mit außergewöhnlichen Herausforderungen zurückzublicken. Das Gesundheitswesen wurde auf eine harte Probe gestellt. Gleichzeitig hat die Lebensmittelwirtschaft durch beispiellose Leistungen die Lebensmittelversorgung aufrechterhalten. Die belgische Fleischwirtschaft hat sowohl die erste als auch die zweite Welle erfolgreich gemeistert.

War das reine Glückssache? Nein. Die Kombination aus guter Vorbereitung, Produktionsfähigkeit in kritischen Momenten und erfolgreicher Zusammenarbeit im sozialen Umfeld hat sich als Erfolgsrezept bewährt.

Belgian Meat Office sprach mit Michael Gore, Geschäftsführer des Verbands der belgischen Schlachthöfe und Zerlegebetriebe FEBEV. Er ist der Initiator des Notfallplans, der die Fleischwirtschaft sicher durch diese außergewöhnliche Krise geführt hat.  

Gemeinsam mit Michael Gore blicken wir auf den Jahresbeginn 2020 zurück. Damals machte die Nachricht die Runde, dass in China “etwas” passiere. In seinen kühnsten Träumen hätte wohl niemand daran gedacht,  dass dieselbe Gesundheitskrise jemals Europa treffen würde. 

Warum auch? Die Chinesen sind in puncto Epidemien erfahrungserprobt.  Sie würden das Problem schon in den Griff bekommen.

Plötzlich erreichte das Virus Europa. Selbst wenn die Fleischwirtschaft es gewohnt ist, mit wechselnden Situationen umzugehen, löste diese unbekannte Bedrohung doch große Besorgnis aus. Die Betriebsleiter der Fleischunternehmen haben sofort den Ernst der Lage erkannt und alles daran gesetzt, um ihren Betrieb maximal vor dem Virus zu schützen. Man darf nicht vergessen, dass sich die belgische Schweinefleischwirtschaft zu diesem Zeitpunkt noch in vollem ASP-Krisenmodus befand.  Ein wahrer Albtraum. Manch einer würde den Mut verlieren.  Sichtlich stolz erzählt Michael Gore, dass er genau das Gegenteil bei den belgischen Playern beobachtet hat.  

Gut vorbereitet an den Start

"Gute Vorbereitung ist die halbe Miete", und das ist vielleicht eine der wenigen Wahrheiten, die auch in dieser Krise Bestand hatte. Die Risiken, die der Ausbruch einer Infektionskrankheit mit sich bringt, sind nicht neu. Die Gesundheit der Mitarbeiter genießt daher oberste Priorität. Wenn viele Mitarbeiter ausfallen, ist die Kontinuität des Geschäftsbetriebs gefährdet. Die Fleischwirtschaft setzt sich aus einem komplexen Netzwerk menschlicher Interaktionen zusammen, das von den Tierhaltern über die Transporteure bis hin zu den Fleischunternehmen reicht.  Insofern liegt es auf der Hand,  dass sich der Ausbruch einer ansteckenden Krankheit zeitnah äußerst negativ auf die Personalstärke auswirken kann. Die belgische Fleischwirtschaft hat dieses Risiko rechtzeitig erkannt.  Deshalb hat FEBEV einen Notfallplan als Leitfaden für die Unternehmen ausgearbeitet, der dazu dienen sollte bei bei Epidemie- und/oder Pandemieausbruch die Auswirkungen auf die Personaldecke maximal abzufedern.

Am 13. März 2020  hat Belgien einen Lockdown verhängt. Ab diesem Tag diente das Drehbuch den Unternehmen als Leitlinie bei der kurzfristigen Erstellung eines auf die jeweilige Betriebssituation zugeschnittenen Plans. Im Nachhinein betrachtet, haben die Vorsichtsmaßnahmen, die durch die rechtzeitige Entwicklung des Drehbuchs getroffen wurden, die belgische Fleischwirtschaft vor zahlreichen Problemen bewahrt.

 

Starke Partnerschaft zwischen Fleischwirtschaft und Regierung

 

Anfangs war das Drehbuch ein Rahmenwerk, das neben den Basisrichtlinien mit Fokus auf die Betriebsführung bei reduzierter Personalstärke auch die Implementierung von Vorsichtsmaßnahmen bündelte. Die täglichen Herausforderungen gaben die Richtung vor, inwieweit das Drehbuch ggf.  angepasst werden musste.  Dabei waren neben den Unternehmen auch deren Lieferanten und Kunden aktiv involviert.  Es gab starken Rückenwind aus der Branche selbst, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Produktionsfähigkeit jederzeit zu garantieren. Als vorteilhaft erwies es sich in der ersten Welle, dass die Regierung das gleiche Ziel verfolgte, was zu einer hervorragenden Zusammenarbeit zwischen Fleischwirtschaft, Behörden und insbesondere der Belgischen Agentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette (FASNK) führte.  Fakt ist, dass diese Form der Zusammenarbeit die belgische Strategie kennzeichnet und eine tragende Säule im Krisenmanagement war.   

Zu Beginn der Krise wachte die FASNK über die Einhaltung der von den Behörden verabschiedeten Maßnahmen. Später wurde der “Föderale öffentliche Dienst Beschäftigung, Arbeit und soziale Konzertierung” (FöD BASK) mit dieser Aufgabe betraut. Festgestellte Verstöße wurden zur gezielten Sensibilisierung der Unternehmen rückgekoppelt. Auch die wirtschaftliche Taskforce der Regierung war bestrebt, die Signale der Fleischwirtschaft maximal zu erfassen. Bald fungierte FEBEV als zentraler Meldepunkt für Ereignisse in der Nutztierbranche mit Berichterstattung an die wirtschaftliche Taskforce. Zugleich war so die Nachbereitung relevanter Themen gesichert. Es entstand ein starkes soziales Arbeitsfeld, das zu einer gesteigerten Effektivität der Maßnahmen und letztlich zum Erreichen des gemeinsamen Ziels führte: die Sicherstellung der wirtschaftlichen Kontinuität und die permanente Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Auf Bitte des damaligen Ministers Ducarme wurde das Drehbuch der Fleischwirtschaft auch anderen Branchen zur Verfügung gestellt, denen es noch an einem Fahrplan für Gute Praxis mangelte. 

In dieser Krise haben wir auch von anderen gelernt. Im Sommer 2020 waren unsere Nachbarländer von schweren Ausbrüchen betroffen, die sogar zu vorübergehenden Schließungen von Produktionsstätten und zur Einschränkung der Exportmöglichkeiten u. a. nach China führten. Bald drängte sich die Frage auf, weshalb die Belgier vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen sind.  Letztendlich wurde der frühe Fahrplan der Fleischwirschaft als Erfolgsrezept ausgemacht.  Wir hatten stets einen Vorsprung, der sich ausgezahlt hat. 

Die Beispiele aus den Nachbarländern haben uns veranlasst, die Stellschrauben für Unterkunft, Transport, etc. anzuziehen und zur permanenten Verbesserung unserer Strategie beigetragen.  

Rückblickend sind wir zu der Feststellung gekommen, dass die Anzahl der Vorfälle und der COVID-Impakt auf die belgische Fleischwirtschaft begrenzt geblieben sind. Auch wenn es eine Reihe von Ereignissen gab, war die Lebensmittelversorgung nie gefährdet.

Neuer Standard für den Kunden

Zum Schluss unseres Gesprächs mit Michael Gore richten wir unser Augenmerk auf die Stärken der belgischen Fleischlieferanten, die sich durch besonderen Kundenservice profiliert haben.  Maßarbeit und kundenorientiertes Denken sowohl bezüglich aktueller als künftiger Themen stechen deutlich hervor. Die Anpassungsfähigkeit gehört zur DNA der Unternehmen.  Und genau das hat die Branche in dieser Krise eindrucksvoll untermauert. 

Wie für viele andere Branchen auch, gibt es für die Fleischwirtschaft kein Zurück mehr in die Zeit  vor dem 13. März 2020. Die Bemühungen in puncto Hygiene und Lebensmittelsicherheit haben zu einem neuen Standard geführt, der ab sofort als neue Norm gilt.  Im neuen Normal werden unsere Unternehmen diese Zusatzgarantien als Kundenservice in ihr Portfolio aufnehmen. Letztendlich kann der Kunde nur davon profitieren.

"Der Umgang der belgischen Fleischwirtschaft mit COVID-19 untermauert die Flexibilität und Schlagkraft einer Branche, die täglich alles gibt, um den Wünschen ihrer Kunden maximal zu entsprechen. Dabei wurde die eigene Messlatte erneut höher gelegt.”

  

Der Notfallplan für die belgische Fleischwirtschaft wurde auf der Website des Hohen Rates für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen veröffentlicht. Nähere Informationen können Sie in niederländischer oder französischer Sprache auf www.hrzkmo.fgov.be nachlesen.  

Der Leitfaden dient Unternehmen der Fleischwirtschaft im Falle des Ausbruchs einer Epidemie oder Pandemie zur Implementierung eines Notfallplans. Je nach Situation werden Maßnahmen vorgeschlagen, die von Stufe 1 mit Schwerpunkt auf persönliche Hygiene bis Stufe 5 reichen, wobei ein breitgefächertes Maßnahmenpaket inklusive Impfungen vorgeschlagen wird. Das zweigleisige Ziel strebt einerseits die Kontinuität der Produktionsfähigkeit an und andererseits das Wohl von Mitarbeitern und Dritten, die in das Unternehmen betreten. 

Veiligheidsmaatregelen | HRZKMO - Hoge Raad voor de Zelfstandigen en de KMO (fgov.be) 

 

Michael Gore

 Vitae von Michael Gore, FEBEV-Geschäftsführer seit 2016  

Michael Gore ist ausgewiesener Experte für LebensmittelsicherheitEr sammelte seine Erfahrungen in diversen Funktionen innerhalb der Lebensmittelkette, vom Qualitätsmanager in der Fleischwirtschaft über den Auditor für Qualitätssicherungssysteme, den Zertifizierungsmanager für Eigenkontrollsysteme bis hin zum BRC-Auditoreinem der wichtigsten Standards. Mehr als zehn Jahre lang leitete er erfolgreich sein eigenes Consulting-Unternehmen, bis er in die Fleischwirtschaft zurückkehrte.  Michael Gore vertritt aktuell im Auftrag von FEBEV die Interessen des belgischen FrischfleischsektorsDer effektive Dialog mit Stakeholdern der gesamten Lebensmittelkette und seinen Mitgliedern ist ihm ein wichtiges Anliegen, insbesondere auch, um gemeinsam auf neue Herausforderungen der Branche zu reagieren.